Die Mikroxygenierung im Holzfass - oder warum lagert mein Bier in einem Reifefass?

Für einen gelernten Brauer der traditionellen Schule ist es eine große psychologische Hürde sein frisch gebrautes Bier in ein Holzfass zu legen, von dem wir ihm zuvor auch noch gesagt haben: „Ihr Bier reift darin, weil es Luft bekommt!“.
Ja richtig, ähnlich wie beim Whisky, wertvollen Obstdestillaten, Gin, Wein, Gewürzen und was sonst noch in Fässern lagert, reift das Bier im Holz, durch dessen Dauben Luft strömt. Und ähnlich wie bei einem an der Luft gereiften Käse stellt sich nach einiger Zeit ein verändertes Produkt vor, im Idealfall ist dies eine Veredlung des Ausgangsstoffs aber oftmals auch eine Enttäuschung, nämlich wenn zwar mit viel Elan aber ohne Wissen und mangelndem Rat an die Sache herangegangen wird und die Reifung im Holzfass schlicht und ergreifend unter- oder überschätzt wird, was passiert während ein Bier in einem ehemaligen Bourbonfass oder Sherryfass liegt, um das an zwei Beispielen festzuhalten.

Thermik
Der atmosphärische Druck außerhalb des Fass ist größer als im Fass, da das Holzfass ja mit alkoholhaltigem Bier befüllt ist. Folglich drückt Luft von außen durch die Dauben und nimmt die auf diesem Weg befindlichen Inhaltsstoffe mit ins Fass, um sie dort wiederum durch die Thermik zu verteilen. Man spricht hier auch von der allmählichen Vermählung der Biermoleküle mit den Makromolekülen des Holzfasses wie Lignin, Cellulose, Hemicellulose sowie den Aromagebenden Stoffen wie in unseren Beispielen dem Sherry und dem Bourbon.
Diese Thermik – sofern man Temperaturschwankungen in der Reife mitnehmen kann – arbeitet ähnlich einem Herzen, im Sommer wenn es wärmer ist dehnt sich das Bier aus und drückt sich in die innere Daubenwand, im Winter bei kühlen oder kalten Temperaturen zieht es sich zurück. Zugegebenermaßen liegen die wenigsten Biere in einem Lagerraum in dem die Jahreszeiten mitgenommen werden können, aber was ich mit dem Vergleich zum Ausdruck bringen möchte ist, dass ein Bier nur in einem Holzfass reifen kann wenn die Temperaturen dazu auch hoch genug sind, ansonsten findet man lediglich nach geraumer Zeit eine Aromatisierung im Fass vor, je nach Vorbelegung des Holzfass.
Mikrooxygenierung
Die Holzfassreife oder Mikrooxygenierung ist also ein Zusammenspiel zwischen dem atmosphärischen Druck, der Umgebungsluft – saubere Luft schmeckt man im Produkt genauso wie schlechte Luft oder salzhaltige Luft – und der Größe des Holzfasses. Je kleiner ein Fass ist, desto größer ist seine innere Oberfläche und umso stärker wirkt diese Oberfläche und die einströmende Luft auf das Bier.
Wichtig in dieser Betrachtung ist auch die Daubenstärke: je dünner ein Fass geküfert ist umso mehr Speed bekommt die Reife, je stärker die Dauben, desto ausgewogener der Prozess und der spätere Geschmack – aber desto länger dauert auch die Fassreife.
Als weiteren Aspekt in der Fassreifezeit des Bieres spielt die Umgebungsfeuchte im Fasslager eine große Rolle. Wir empfehlen eine Luftfeuchte von ca. 80%, die bei den Fässern dafür sorgt, dass keine Fugen aufgehen und damit das Fass undicht wird.
Wenn die Luftfeuchte höher ist, sorgt das bei Holz und Fass für Wohlbefinden; allerdings belegt diese Feuchte auch die Holzporen und die damit verbundene Atmung durch das Holz wird zurückhaltender. Im Umkehrschluss sorgt zu trockene Luft für eine verstärkte Atmung aber unter Umständen auch für ein Öffnen der Fugen und damit verbunden für technische Probleme.


Vermählung im Fass braucht Zeit
Aus der Erfahrung heraus muss man jedoch sagen, die Vermählung im Fass zwischen der einströmenden Luft, dem darin reifenden Produkt und der Aromen der Fassdauben dauert seine Zeit und ist nur nachhaltig, wenn wir über Lagerzeiten von mindestens 6 – 8 Monaten sprechen. Grundsätzlich gilt: je länger, desto besser – Ausnahmen bestimmen die Regel, wie überall im Leben.
Es ist genau dieser Prozess, der ein holzfassgereiftes Bier von einem mit Chips oder Cubes aromatisiertem Bier unterscheidet.
Durch die langsame Reifung und Vermählung der verschiedenen Aromen im Holzfass bliebt ein Bier auf der Flasche schier unendlich in seinem Geschmack erhalten, mit dem richtigen Alkohol ausgestattet sogar über Jahre wenn nicht gar Jahrzehnte hinweg.
Ein mit Holzalternativen aromatisiertes Bier hingegen hält sich in der Geschmacksausprägung nicht sehr lange auf der Flasche, spätestens beim Öffnen und dem nicht sofortigen austrinken (was sicher selten vorkommt) zerfällt das Bier auf der linken Seite in seine ursprüngliche Form und auf der rechten Seite in die Holzalternativprodukte.
Holzart
Last but not least spielt die Beschaffenheit bzw. die Typizität des verarbeiteten Holzes einen weiteren und nicht unwichtigen Aspekt in der Holzfassreife und der Atmung des Fasses.
Nehmen wir zur Beispielführung das sicher meistverwendete Fassholz: die Eiche. Wir verarbeiten hauptsächlich sehr feinporiges Holz der Spezies Quercus Sessilius aber auch Hölzer nach Art der Limousineiche die deutlich offenporiger, da auf sehr fruchtbaren Böden gewachsen, finden im Fassbau Verwendung. Ein offenporiges Holz „atmet“ mehr als ein feinjähriges Holz.
Ob dies bei der Reifung von Bieren bei der wir über mehrere Wochen oder Monate und nicht Jahre wie beim Destillat entsprechend in der Degustation seine Auswirkungen zeigt ist ein anderes Thema, physikalisch aber nicht wegzudiskutieren.
Alles in allem ein vielschichtiges Thema für das es keine einfache Rezeptur oder eine allgemeinverbindliche Lösung gibt – ich finde das ist auch gut so, dann die Holzfassreife und die damit verbundenen Prozesse geben schließlich dem Bier die Einzigartigkeit.


Bis dann,
Markus Eder
Der Beitrag erschien ebenfalls in der Ausgabe Sommer 2020 (Heft Nr. 46) des Magazins Bier&Brauhaus:
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